Für ihre Untersuchung haben die Forschenden Gletscherdaten aus verschiedenen Quellen gesammelt, homogenisiert und ausgewertet, darunter Feldmessungen direkt an Gletschern sowie Radar-, Laser- und Gravimetriedaten aus zahlreichen Satellitenmissionen. „Wir haben 233 Berechnungen regionaler Gletschermasseveränderungen aus etwa 450 Datenquellen von 35 Forschungsteams zusammengetragen“, erklärt Studienleiter Michael Zemp von der Universität Zürich. Tobias Bolch ergänzt: „Besondere Bedeutung haben dabei die Messdaten von Erdbeobachtungssatelliten der ESA, aber auch anderer internationaler Raumfahrorganisationen. Durch die Analyse dieser Daten – und hier sind vor allem die Messungen der Höhenänderungen besonders wertvoll – konnten wir den Zustand der Gletscher weltweit ermitteln.“ Das Ergebnis ist eine einzigartige Zeitreihe der jährlichen Gletschermassenveränderungen in den Jahren von 2000 bis 2023 für alle Gletscherregionen der Welt. Aufgrund der großen Menge präziser Daten ist die vorliegende Studie wesentlich verlässlicher als vorangegangene Untersuchungen des globalen Gletscherschwunds, die auf ungenaueren bzw. lückenhaften Daten beruhten.
- 8 Millimeter Meeresspiegelanstieg<\/li><\/ul>
Der Eisverlust der Gletscher seit dem Jahr 2000 hat zu einem Anstieg des Meeresspiegels um 18 Millimeter geführt. Damit ist das Abschmelzen der Gletscher nach der Erwärmung der Ozeane der zweitstärkste Treiber des Meeresspiegelanstiegs, deutlich vor den Masseverlusten des grönländischen und des antarktischen Eisschilds.
Allerdings sind nicht alle Gletscherregionen gleich stark betroffen. Während die Gletscher der antarktischen und subantarktischen Inseln nur 1,5 Prozent ihrer Masse verloren, sind sie in den Alpen und den Pyrenäen mit etwa 39 Prozent am stärksten geschrumpft. „Aufgrund ihrer geringen Höhenlage sind sie von den gestiegenen Temperaturen besonders betroffen“, erläutert Tobias Bolch. „Zum anderen sind die Alpen- und Pyrenäengletscher vergleichsweise klein, was ebenfalls ein Nachteil ist. Gletscher haben generell einen kühlenden Effekt auf das Mikroklima ihrer Umgebung. Bei kleinen Gletschern ist dieser Effekt jedoch nur schwach ausgeprägt; ein weiterer Grund, weshalb sie schneller schmelzen als große Gletscher.“
Mit dem Eis der Gletscher gehen wertvolle Süßwasservorräte verloren. In vielen von Gletschern gespeisten Flüssen der Welt ist dies paradoxerweise noch nicht zu spüren, die Wassermengen aus der Gletscherschmelze sind größtenteils sogar gestiegen. Aber in der Zukunft werden diese Abflüsse ihren Höhepunkt erreichen und dann kontinuierlich zurückgehen. „In den europäischen Alpen haben wir diese Abflussspitze schon überschritten, unsere Gletscher werden den Flüssen also immer weniger Wasser liefern“, sagt Tobias Bolch. „Das wird vor allem in längeren Trockenperioden ein Problem: Dann sind Gletscherzuflüsse als kontinuierliche Wasserlieferanten besonders wichtig. Dieser stabilisierende Effekt geht zunehmend verloren.“
Die Studie zur Entwicklung der Gletscher wurde im Rahmen der von der ESA unterstützen Forschungsinitiative „Glacier Mass Balance Intercomparison Exercise (GlaMBIE)“ durchgeführt. GlaMBIE wird vom World Glacier Monitoring Service (WGMS) an der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit der Universität Edinburgh und dem Unternehmen Earthwave koordiniert.
Originalpublikation: Community estimate of global glacier mass changes from 2000 to 2023
Autor*innen: The GlaMBIE Team (Michael Zemp, Livia Jakob, Inés Dussaillant, Samuel U. Nussbaumer, Noel Gourmelen, Sophie Dubber, Geruo A, Sahra Abdullah, Liss Marie Andreassen, Etienne Berthier, Atanu Bhattacharya, Alejandro Blazquez,, Laura F. Boehm Vock, Tobias Bolch, Jason Box, Matthias H. Braun, Fanny Brun, Eric Cicero, William Colgan, Nicolas Eckert, Daniel Farinotti, Caitlyn Florentine, Dana Floricioiu, Alex Gardner, Christopher Harig, Javed Hassan, Romain Hugonnet, Matthias Huss, Tómas Jóhannesson, Chia-Chun Angela Liang, Chang-Qing Ke, Shfaqat Abbas Khan, Owen King, Marin Kneib, Lukas Krieger, Fabien Maussion, Enrico Mattea, Robert McNabb, Brian Menounos, Evan Miles, Geir Moholdt, Johan Nilsson, Finnur Pálsson, Julia Pfeffer, Livia Piermattei, Stephen Plummer, Andreas Richter, Ingo Sasgen, Lilian Schuster, Thorsten Seehaus, Xiaoyi Shen, Christian Sommer, Tyler Sutterley, Désirée Treichler, Isabella Velicogna, Bert Wouters, Harry Zekollari, Whyjay Zheng)