(openPR) Wo Menschen leben, gibt es Licht: Beleuchtete Wohnungen, Häuser, Straßen, Werbetafeln, Baustellen, Bürogebäude oder lokale Wahrzeichen. Vor allem in Städten wird so die Nacht zum Tag gemacht. „Uns wird geraten Bildschirme vor dem zu Bettgehen zu meiden, um unseren Schlafrhythmus nicht zu stören. Vor diese Wahl werden Insekten nicht gestellt. Künstliches Licht hat aber nicht nur einen negativen Einfluss auf uns Menschen, sondern auch auf diese Tiere“, erzählt Studienleiter Prof. Dr. Markus Pfenninger vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt.
Pfenninger hat mit einem Team aus Senckenberg-Forschenden und von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz die Auswirkung von künstlichem nächtlichem Licht auf die Zuckmücken-Art Chironomus riparius untersucht. Die Insekten mit einer Körperlänge von 7 bis 8 Millimetern sind eine ökologisch äußerst wichtige Art, da viele Tiere im Wasser, an Land und in der Luft auf die Mücken als Nahrungsquelle angewiesen sind. „Der kurze Lebenszyklus von etwa 30 Tagen macht Zuckmücken zudem zu einem idealen Studienobjekt für öko-evolutionäre Experimente“, erklärt Doktorandin und Erstautorin der Studie Linda Eberhardt und fährt fort: „In unserer Studie haben wir modernste Genexpressionsanalysen mit detaillierten Lebenszyklus-Experimenten kombiniert, um die Folgen von Lichtverschmutzung für Zuckmücken-Populationen aufzuzeigen und deren zugrundeliegende molekulare Mechanismen zu verstehen.“
Die Ergebnisse der Studie sind alarmierend: Die Larven von Chironomus riparius, die in der Nacht künstlichem Licht ausgesetzt waren, zeigten in 1564 ihrer Gene Veränderungen. „Wir haben eine deutliche Abweichung in der Genexpression von Genen festgestellt, die für grundlegende biologische Prozesse verantwortlich sind. Beispielsweise solche, die zuständig für den circadianen Rhythmus, die Häutung und den oxidativen Stress sind“, erklärt Eberhardt. „Dies deutet darauf hin, dass künstliches Licht in der Nacht tiefgreifende Auswirkungen auf die Physiologie – die Lebensvorgänge in den Zellen, Geweben und Organen – der Insekten hat.“
Die Erhöhung des oxidativen Stresses führt außerdem zu einer veränderten Entwicklung der Larven, einer verlängerten Entwicklungszeit und vor allem zu einer drastisch reduzierten Fortpflanzungsfähigkeit, heißt es in der Studie. „Die Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit sind dabei besonders besorgniserregend. Die Populationswachstumsrate sank in unseren Experimenten unter dem Einfluss von nächtlicher Beleuchtung erheblich“, betont Pfenninger und warnt: „Eine Reduktion der Fruchtbarkeit kann zu einem deutlichen Rückgang der Populationsgröße führen und somit das gesamte Ökosystem beeinflussen.“
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Bedeutung des natürlichen Hell-Dunkel-Zyklus für Insekten und zeigen die potenziell weitreichenden Folgen der Lichtverschmutzung. „Angesichts der zentralen Rolle von Insekten in Nahrungsnetzen, könnten die Auswirkungen von künstlichem Licht in der Nacht auf Insektenpopulationen Kaskadeneffekte im gesamten Ökosystem auslösen. Wir empfehlen dringend Maßnahmen zu ergreifen, die zur Reduzierung von Lichtverschmutzung führen, um die negativen Auswirkungen auf Insekten und die Umwelt zu minimieren.“
wissenschaftliche Ansprechpartner: Prof. Dr. Markus Pfenninger Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt Tel. 069 7542 1841