(openPR) In Volkshochschulen (VHS) lernen Menschen Fremdsprachen für den nächsten Urlaub, probieren neue Rezepte in Kochkursen oder besuchen Yogakurse für Seniorinnen und Senioren. Doch das ist längst noch nicht alles: die VHS ist weitaus vielfältiger. Tatsächlich sind Volkshochschulen nämlich wichtige Träger der Erwachsenenbildung in Deutschland. So haben rund 900 Einrichtungen im Jahr 2021 insgesamt 285.920 Kurse angeboten mit einem großen Themenspektrum, das weit über Kochen, Sprachen und Sport hinaus reicht.
Volkshochschulen sind zum Teil staatlich subventioniert und stehen deshalb in der öffentlichen Verantwortung, Bildung für Alle zu gewährleisten. Dementsprechend haben viele von ihnen sich zum Ziel gesetzt, ein wichtiger Baustein zum Abbau von Diskriminierung im gesamtgesellschaftlichen Wandel zu sein.
Wie sie diese Aufgabe wahrnehmen, haben Bildungsforscherinnen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) untersucht. Verantwortlich für diese Studie war Jennifer Danquah, Doktorandin an der Professur für Erwachsenenbildung / Weiterbildung bei Professorin Regina Egetenmeyer. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung haben die beiden jetzt in der Fachzeitschrift RELA – European Journal for Research on the Education and Learning of Adults veröffentlicht.
„Wir haben an einer VHS zahlreiche Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt, darunter sowohl solche mit und ohne Führungsverantwortung als auch Personen aus dem direkten Umfeld der VHS“, schildert Jennifer Danquah die Vorgehensweise. Fünf dieser Interviews dienen als Grundlage für den jetzt veröffentlichten Beitrag; interviewt wurden die aktuelle Leitung der VHS sowie deren Vorgänger beziehungsweise Vorgängerin und drei Verantwortliche für die Programmgestaltung. „Wir haben uns dabei in erster Linie dafür interessiert, über welche Möglichkeiten Führungskräfte verfügen, um rassismuskritische Organisationsentwicklungsprozesse zu unterstützen“, sagt Danquah.
Herauskristallisiert haben sich dabei im Wesentlichen zwei Formen der Unterstützung: Zum einen die Entwicklung eines organisatorischen Leitprinzips einer Bildung „für alle, von allen und mit allen“ sowie zum anderen eine von Communities gesteuerte Programmplanung, die sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen unterstützt, ihre eigenen Lernwege mitzugestalten.
„Ursprünglich ist das Ziel von Volkshochschulen, Bildung für alle anzubieten“, sagt Jennifer Danquah. Doch um wirklich Bildungschancen für alle zu bieten, habe die Leitung dieses Motiv mit dem Zusatz „von Allen und mit Allen“ erweitert. „Damit definiert sich die VHS als Plattform auch für Vertreterinnen und Vertreter verschiedener marginalisierter Gruppen“, erklärt die Bildungsforscherin.
Die VHS verfolge somit einen Ansatz, der Vielfalt anerkennt und das Ziel hat, jeder von struktureller Diskriminierung betroffenen Gruppe die Chance zu geben, ihre eigenen Lernerfahrungen zu machen. „Die VHS wird damit zu einer Plattform, die den Teilnehmenden die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt, um ihre eigenen Lernangebote entsprechend ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse zu gestalten.“
Doch nicht nur der Ebene der Direktion einer Volkshochschule kommt besondere Bedeutung bei der rassismussensiblen Gestaltung zu – auch die Verantwortlichen für das Programm können dabei unterstützen. In dem von Danquah untersuchten Fall war dieser Entwicklung ein Bildungsprojekt vorausgegangen, in dem Mitglieder der Black Communities Aufklärung über und die Umbenennung von Straßennamen mit kolonialem Bezug in der Nachbarschaft der VHS gefordert hatten. In der Folge hatte die damalige VHS-Leitung die Einrichtung eines Programmbereichs unterstützt, der sich dauerhaft mit den Bedürfnissen dieser Bevölkerungsgruppe befasst.
Die konkrete Umsetzung liegt in der Hand der Programmplanung. „Die verantwortliche Person hat in diesem Fall eng mit Vertreterinnen und Vertretern dieser Gemeinschaften zusammengearbeitet und dafür unter anderem ihre Arbeitszeiten an die Bedürfnisse der Communities angepasst und diese regelmäßig vor Ort besucht“, beschreibt Danquah. Erst dadurch sei es möglich gewesen, die Vielfalt Schwarzer Lebensrealitäten im VHS-Programm zu vertreten.
Als Konsequenz daraus habe die VHS ihre traditionellen Personalstrukturen überdacht und spezielle Koordinatorinnen und Koordinatoren zur Vermittlung zwischen diesen Communities und der VHS eingestellt. Diese können spezielle Bedarfe ermitteln und gemeinsam mit der Programmplanung, den Kursleiterinnen und Kursleitern sowie Teilnehmenden Kurse konzipieren und diese dynamisch an die Bedürfnisse der Gemeinden anpassen.
„Unsere qualitative Fallstudie zeigt, dass Führungskräfte zentrale Akteurinnen einer rassismuskritischen Organisationsentwicklung in der Erwachsenenbildung sind – insbesondere dann, wenn sie ihre Handlungsspielräume selbstreflexiv nutzen und gemeinsam mit beispielsweise afro-diasporischen und Schwarzen Communities inklusive Lernumgebungen entwickeln“, lautet dann auch das Fazit von Jennifer Danquah und Regina Egetenmeyer.
Ihre Studie leiste somit am Beispiel der Volkshochschule einen wichtigen Beitrag zur rassismussensiblen Gestaltung von Bildungseinrichtungen und zur Frage, wie mit Hilfe des Führungspersonals erstarkenden anti-demokratischen Tendenzen begegnet werden kann.
wissenschaftliche Ansprechpartner: Jennifer Danquah, Universität Würzburg, Professur für Erwachsenenbildung/Weiterbildung,
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