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Startseite » Wuppertal » Bakterien, die Steine und Schwefel „atmen“ können

Bakterien, die Steine und Schwefel „atmen“ können

28. August 2025
in Wuppertal
Reading Time: 3Minuten Lesezeit
Bakterien, die Steine und Schwefel "atmen" können
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(openPR) Ein internationales Team von Wissenschafter*innen unter der Leitung der Mikrobiologen Marc Mussmann und Alexander Loy von der Universität Wien hat einen neuen mikrobiellen Stoffwechsel entdeckt: Sogenannte MISO-Bakterien „veratmen“ Eisenmineralien durch die Oxidation von toxischem Sulfid. Die Forscher*innen fanden heraus, dass die Reaktion zwischen giftigem Schwefelwasserstoff und festen Eisenmineralien nicht nur ein chemischer, sondern auch ein noch unbekannter biologischer Prozess ist, bei dem die vielseitigen Mikroben in marinen Sedimenten und terrestrischen Feuchtgebieten giftiges Sulfid entfernen und für ihr Wachstum nutzen. Damit könnten diese Bakterien die Ausbreitung von sauerstofffreien „Todeszonen“ in Gewässern verhindern. Die Ergebnisse wurden nun in Nature veröffentlicht.

Biogeochemische Kreisläufe sind jene Prozesse, bei denen Elemente wie Kohlenstoff, Stickstoff, Schwefel und Eisen durch Reduktions- und Oxidationsreaktionen (Redoxreaktionen) umgewandelt werden und zwischen Atmosphäre, Wasser, Boden, Gestein und Lebewesen zirkulieren. Diese Kreisläufe sind eng mit dem Klima der Erde verbunden, da sie die Entstehung von Treibhausgasen regulieren und das Temperaturgleichgewicht des Planeten beeinflussen.

Mikroorganismen spielen eine zentrale Rolle in nahezu jedem Schritt dieser Redoxprozesse, indem sie zum Beispiel Schwefel- oder Eisenverbindungen für die Atmung nutzen – ähnlich wie Menschen Sauerstoff verwenden, um Nahrung zu verstoffwechseln. In sauerstoffarmen Umgebungen, wie etwa am Meeresboden oder in Feuchtgebieten, sind Schwefel- und Eisenverbindungen für das mikrobielle Leben besonders wichtig. Schwefel kommt in verschiedenen Formen vor – als Gas in der Atmosphäre, als Sulfat in den Ozeanen oder als Bestandteil von Mineralien in Gesteinen. Ebenso kann Eisen je nach Sauerstoffverfügbarkeit zwischen verschiedenen Formen wechseln.

Wenn Mikroben Schwefelverbindungen verstoffwechseln, verändern sie oft gleichzeitig die Form von Eisen – und umgekehrt. Diese Kopplung der Kreisläufe von Schwefel und Eisen hat weitreichende Auswirkungen, da sie die Verfügbarkeit von Nährstoffen in der Umwelt sowie die Produktion oder den Abbau von Treibhausgasen wie Kohlendioxid oder Methan beeinflusst. Das Verständnis dieser miteinander verbundenen Kreisläufe ist entscheidend, um vorherzusagen, wie Ökosysteme auf Verschmutzung, Klimawandel und andere menschliche Einflüsse reagieren.

Spezialisierte Mikroben in sauerstofffreien Ökosystemen wie Meeressedimenten und Feuchtgebieten erzeugen Schwefelwasserstoff – ein giftiges Sulfidgas mit dem charakteristischen Geruch nach faulen Eiern. Die Wechselwirkung zwischen Sulfid und Eisen(III)-Oxid-Mineralien wie rostigem Eisen spielt eine Schlüsselrolle bei der Kontrolle der Sulfidkonzentration. Bei der Reaktion entstehen hauptsächlich elementarer Schwefel und Eisenmonosulfid (FeS). FeS ist ein schwarzes Mineral, das zum Beispiel für die dunkle Färbung von Strandsedimenten unter sauerstoffarmen Bedingungen verantwortlich ist.

„Wir zeigen, dass diese umweltrelevante Redoxreaktion nicht nur chemisch abläuft“, erklärt Alexander Loy, Forschungsgruppenleiter am CeMESS – dem Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien: „Auch Mikroorganismen können die Reaktion für ihr Wachstum nutzen“. Der neu entdeckte mikrobielle Energiestoffwechsel, kurz MISO genannt, koppelt die Reduktion von Eisen(III)-Oxid mit der Oxidation von Sulfid. Im Gegensatz zur chemischen Reaktion produziert MISO direkt Sulfat und umgeht damit Zwischenschritte im Schwefelkreislauf. „MISO-Bakterien entfernen das giftige Sulfid und verhindern damit möglicherweise die Ausbreitung von sogenannten ‚Todeszonen‘ in Gewässern; gleichzeitig fixieren sie CO2 für ihr Wachstum – genauso wie Pflanzen“, ergänzt Senior Scientist Marc Mussmann.

In Wachstumsversuchen mit einem kultivierten MISO-Bakterium konnten die Forscher*innen zeigen, dass die biologische Reaktion schneller ist als die entsprechende chemische Reaktion. Dies deutet darauf hin, dass Mikroben die Haupttreiber dieses Prozesses in der Natur sind. „Verschiedene Bakterien und Archaeen besitzen die genetische Fähigkeit für MISO“, erklärt Song-Can Chen, Hauptautor der Studie, „und sie kommen in einer Vielzahl natürlicher und vom Menschen geschaffener Umgebungen vor.“ In marinen Sedimenten könnte MISO bis zu 7 % der globalen Sulfidoxidation zu Sulfat ausmachen, angetrieben durch den erheblichen Zustrom reaktiven Eisens aus Flüssen und schmelzenden Gletschern in die Ozeane.

Die Ergebnisse des Teams der Universität Wien, die unter anderem im Rahmen des Exzellenzcluster „Microbiomes drive Planetary Health“ des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF unterstützt werden, enthüllen einen bisher unbekannten biologischen Mechanismus, der die Kreisläufe von Schwefel, Eisen und Kohlenstoff in sauerstofffreien Umgebungen verbindet. „Diese Entdeckung zeigt eindrucksvoll, wie vielseitig Mikroorganismen sind, und hebt ihre essenzielle Rolle in den globalen Stoffkreisläufen hervor“, so Alexander Loy abschließend.

wissenschaftliche Ansprechpartner: Univ.-Prof. Dr. Alexander Loy Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung Division für Mikrobielle Ökologie Universität Wien 1030 Wien, Djerassiplatz 1 T +43 1 4277 91205

Dr. Marc Mussmann Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung Division für Mikrobielle Ökologie Universität Wien 1030 Wien, Djerassiplatz 1 T +43 1 4277 91202

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