Auch das Gehirn von Wirbeltieren kann sich im Zuge von Anpassung an einen neuen Lebensraum oder neue Lebensbedingungen im Laufe der Evolution verändern. Dabei basiert das bisherige Verständnis der Evolution des Wirbeltiergehirns überwiegend auf Veränderungen von größeren Strukturen und dem Bewusstsein, dass sich auch einzelne Zelltypen verändert haben. Welche Auslesefaktoren die Eigenschaften einzelner Nervenzellen im Verlauf der Evolution geformt haben, ist hingegen schwierig zu erforschen und unzureichend verstanden. Hierfür braucht es detailliertes Wissen zu Form und Funktion der untersuchten Nervenzellen sowie einen massiven Einschnitt in einem wichtigen Faktor der Lebensumstände, der als Selektionsdruck dienen könnte. Erkenntnisse, wie Veränderungen in der Umwelt im Laufe der Evolution das Wirbeltiergehirn modifiziert haben, tragen dabei zum Verständnis der biologischen Vielfalt und der Entwicklung von Verhaltensweisen bei Wirbeltieren inklusive des Menschen bei.
Für diese Erkenntnis haben die Forschenden aus Bayreuth die Mauthner-Zellen der Oberflächen- und Höhlenformen des Mexikanischen Salmlers untersucht und verglichen. Das Ergebnis: In der Höhlenform sind alle Merkmale der Form und Funktion des Neurons erhalten geblieben, trotz der gravierenden Veränderung des Lebensraums. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass das Mauthner-Neuron des blinden Mexikanischen Salmlers einer komplexen Form der stabilisierenden Selektion unterliegt, die bisher noch nicht verstanden ist, die typische Merkmalsausprägung des Mauthner-Neurons aber begünstigt. Der Fortsatz des Neurons, der bei sehenden Arten visuelle Information verarbeitet, spielt dabei weiterhin eine Rolle und verarbeitet möglicherweise andere sensorische Eingänge“, so Machnik.
„Das Besondere an dieser Studie ist, dass wir die Vorteile der verschiedenen Formen des Mexikanischen Salmlers mit denen des Mauthner-Neurons als individuell identifizierbare, multisensorische Nervenzelle zusammengebracht haben. So wird in einem besonders klaren und überprüfbaren Fall deutlich, dass die Vorhersage der Evolution von Neuronentypen im Wirbeltiergehirn weit von selbstverständlichen Annahmen entfernt sein kann“, sagt Prof. Dr. Stefan Schuster, Leiter des Lehrstuhls für Tierphysiologie.
Die Studie wurde durch ein Reinhart Koselleck-Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG; Schu1470/8) finanziert.
wissenschaftliche Ansprechpartner: Dr. Peter Machnik Lehrstuhl für Tierphysiologie Universität Bayreuth Tel.: +49 (0)921 / 55-2473 E-Mail: