(openPR) Wer sich schämt, verliert sein Gesicht, möchte im Erdboden versinken oder zumindest den Augen anderer entfliehen. Dabei geht Scham immer aufs Ganze, sie ahndet die kleine Taktlosigkeit ebenso wie schwere Verfehlungen, partizipiert am urältesten Gefühlsbestand und ist gleichzeitig eine Reaktion subtilster Art. Wenn „Scham der große Stillmacher“ ist, wie die Autorin Lea Schneider schreibt, überrascht es nicht, dass sie sich dem Bild angedient hat. Weil bei ihr kaum von einer visuellen Bloßstellung zu abstrahieren ist, muss sie immer – mindestens in der Einbildung – mit einem Publikum rechnen, vor dessen Augen sie sich zeigt.
Dieser Aufführungscharakter der Scham schreibt eine lange Geschichte der Schand- und Schmähbilder, die sich noch heute in den Beschämungsdynamiken der sozialen Medien artikuliert oder sogar Teil künstlerischer Strategien werden kann: Als Nan Goldin 2019 im Guggenheim Museum gegen den Opioid-Hersteller Sackler demonstrierte, trug sie ein Banner mit dem Schriftzug: „Shame on Sackler“.
Wo solche Formen der außergerichtlichen Strafinstanz immer einen „Moment der Verdinglichung” einschließen, weil man „seiner Handlungs- und Deutungshoheit beraubt” und zum „Objekt der Blicke der anderen” wird, wie die Journalistin Anette Köhler schreibt, wird gleichzeitig auch die Forderung laut, sich den zurichtenden Blicken von außen zu entziehen.
Das Podium diskutiert Beispiele wie die fotografische Arbeit „Soziale Gerechtigkeit 1: Schule“ von Susanne Keichel und fragt, wie das Wechselverhältnis von Scham und Sichtbarkeit künstlerisch-aktivistisch verstanden werden kann, wo Scham geschützt oder überwunden werden muss und wer sich das Recht auf Deutungshoheit nimmt. Wann werden Bilder zu Schauplätzen der Entehrung und Anklage? Wie verbinden sich mit Linda Hentschel „Schaulust, Schauangst und Schauverbot“? Und kann Verletzbarkeit eine Waffe sein?
DISKUTANT:INNEN Linda Hentschel, Kunsthochschule Mainz Susanne Keichel, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Lea Schneider, FU Berlin
KONZEPTION & MODERATION Mona Leinung, KWI & Folkwang Universität der Künste Anja Schürmann, KWI
TEILNAHME VOR ORT Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung nicht erforderlich.
TEILNAHME VIA ZOOM Für die Online-Teilnahme folgen Sie beizeiten dem auf der Homepage veröffentlichten Link.
VERANSTALTER Eine Veranstaltung des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI) in Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität der Künste.
wissenschaftliche Ansprechpartner: Anja Schürmann, KWI Mona Leinung, KWI